Lernt heute die Alltagshelden Janina und Michael Unger kennen – sie sind die Gründer von Kiezattacke, einer nachbarschaftlichen Initiative für ein saubereres Straßenbild.
Sie räumen Berlins Straßen so richtig auf und zeigen, wie Engagement im Alltag ganz einfach gelebt werden kann – gemeinsam. Mit Kiezattacke haben Janina und Michael eine private Initiative gestartet, die Nachbarschaft, Motivation und Umweltschutz verbindet und stetig wächst. Ihre Vision: „Ganz Berlin in 1 Stunde sauber machen.“
Los geht’s, stellt euch gern selbst kurz vor:
JANINA: >> Hi, ich bin Janina Unger, gebürtige Berlinerin und arbeite als selbständige Immobilienmaklerin bei Engel & Völkers. Wir haben zwei Töchter, Luzie (18, gerade Abitur gemacht) und Lola (15), einen Hund und zwei Kaninchen.
MICHAEL: >> Ich bin Michael Unger, komme aus der Nähe von Stuttgart und bin selbständig im Bereich Suchmaschinenoptimierung und GenAI Search tätig. Wir vier sind alle tief verbunden mit unserem Wilmersdorfer Kiez in Berlin. Deshalb hat Kiezattacke auch hier seinen Ursprung.
Kiezattacke ist bei Euch eine Familiensache, alle packen an. Wie sieht Euer Alltag aktuell aus und wer bringt sich wie ein?
MICHAEL: >> Meistens sammelt eine*r allein, ab und an auch zusammen. Zudem betreut Lola unsere Social-Media-Accounts und Luzie die Webseite kiezattacke.org samt Straßen-Datenbank. Und selbstverständlich Bailey, unser kleines Maskottchen.
Da wir beide Vollzeit arbeiten, machen wir Kiezattacke in unserer Freizeit. Das Sammeln ist für uns relativ einfach. Da wir eh mit Bailey Gassi gehen, nehmen wir bei einem Gassi-Gang pro Tag einfach eine Greifzange und einen Müllbeutel mit. Daher ist es für uns im Alltag kein Mehraufwand. Wir nehmen uns seit Februar fast jeden Tag maximal eine Stunde Zeit fürs Sammeln.
Wie kam es zur „Kiezattacke“? Wie entstand die Idee?
JANINA: >> Natürlich erstmal durchs Gassi gehen. Und dann durch die Reaktionen der Nachbarn und die vielen Dankeschöns. Der Wunsch, den öffentlichen Raum schön und sauber zu haben, ist groß. Ein Nachbar hat es letztens gut auf den Punkt gebracht: Nicht immer meckern, sondern machen. Genau das tun wir.
MICHAEL: >> Zuallererst waren wir verärgert über die Berliner Stadtreinigung, dass sie ihren Job nicht richtig macht. Weit gefehlt. Wer jeden Tag unterwegs ist, merkt schnell, dass es zu viel ist. Selbst Straßenreiniger der Stadtreinigung finden unsere Initiative toll. Wir sehen uns mittlerweile als sinnvolle Ergänzung.
Durch das positive Feedback der Nachbarn wurde uns schnell klar, dass wir mehr für die Nachbarschaft tun wollen. Wir sind überzeugt, dass es ein positives Erlebnis für jede Nachbarschaft wird, wenn wir es gemeinsam schaffen, alle Straßen sauber zu machen. Es stärkt die Gemeinschaft und fördert ein positives Miteinander. Die Idee, eine Initiative und eine Internetplattform wie kiezattacke.org für die Nachbarschaft zu entwickeln, war damit geboren.
Eure Vision lautet: „10.000 Menschen für 10.000 Straßen“. Was ist damit gemeint?
JANINA: >> Genauer gesagt: Ganz Berlin in 1 Stunde sauber zu machen. Das wäre möglich bei 10.000 Berliner Straßen mit 10.000 Nachbarn, die an einem bestimmten Tag zur gleichen Zeit anfangen. In einer Stunde wären wir fertig. Gemeinsam wäre das möglich. Es braucht nicht viel Zeit und Einsatz dafür.
MICHAEL: >> Unsere Vision drückt unsere Motivation aus: Wir wollen etwas in Angriff nehmen, etwas, das Ausdauer und Kraft erfordert, etwas, das unmöglich erscheint. Dafür finden wir Kiezattacke passend.

Weshalb sind bei Euch Straßennamen und Orte aufgezählt und wie kann man bei Euch mitmachen?
MICHAEL: >> Von Anfang an war klar, dass nur eine strukturierte Internetplattform bei Clean Ups hilft, unsere Vision zu erreichen. Wenn sich jeder um eine oder mehrere Straßen kümmert, dann bekommen wir irgendwann ein Gesamtbild von den Aktivitäten in Berlin und anderen Orten. Wir möchten, dass das Engagement sichtbar wird und motivierend ist für die Nachbarschaft. Aktuell planen wir eine Weiterentwicklung von kiezattacke.org. Die Seite soll interaktiver werden.
JANINA: >> In der Zwischenzeit kann jeder schon drei Dinge bei uns tun:
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Sich für „Ganz Berlin in 1 Stunde sauber machen“ eintragen,
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mit „Sei der/die Erste an deinem Ort“ uns neue Straßen senden, die wir in unsere Datenbank aufnehmen, und
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Straßen als „für heute erledigt“ markieren, die sich bereits bei uns in der Datenbank befinden.
Mit einer Clean Upperin aus Nürtingen bspw. haben wir bereits einen neuen Ort hinzugenommen. Weitere folgen hoffentlich bald.
Was unterscheidet Kiezattacke von anderen Clean Up-Initiativen?
MICHAEL: >> In der Frequenz, Sichtbarkeit und Strukturierung. Effektive und einfache Lösungen zu schaffen, gegen die zunehmende Vermüllung im öffentlichen Raum. Die meisten großen Initiativen konzentrieren sich darauf, Bewusstsein für die Vermüllung zu schaffen und (un)regelmäßig lokal begrenzte Aufräumaktionen zu veranstalten oder am jährlichen World Cleanup Day teilzunehmen. Diese Aktionen sind prima und unterstützenswert, nur leider helfen sie nicht dabei, die Straßen idealerweise jeden Tag von Müll zu befreien.
JANINA: >> Kiezattacke möchte stattdessen eine Plattform bieten, die Nachbarschaft, Motivation und Umweltschutz verbindet und es Menschen ermöglicht, die ohnehin aktiv werden wollen oder sind, sich regelmäßig für eine schöne und saubere Umgebung einzusetzen. Durch unseren Ansatz, auf kiezattacke.org Straßen und Orte zu sammeln, die von Menschen sauber gemacht werden, bekommt das Thema Clean Up eine ganz neue Sichtbarkeit und notwendige Struktur.
„Wer“ ist Eure Community? Welche Menschen schließen sich Euch an, um sich für ein saubereres Berlin zu engagieren?
JANINA: >> Menschen, die eh schon regelmäßig in ihrer Nachbarschaft unterwegs sind und kein großes Aufhebens daraus machen. Menschen, die sich Zeit nehmen, auch wenn sie diese vielleicht nicht immer haben. Menschen, die es lieber schön und sauber haben als vermüllt und schmutzig. Es gibt sehr viele davon. Wir bemerken aber auch durch unsere geschaffene Sichtbarkeit im öffentlichen Raum eine große Neugierde in der Nachbarschaft, dass wir das einfach machen. „Endlich mal was Positives“, wie letztens eine Nachbarin uns entgegengerufen hat.
MICHAEL: >> Die größte Herausforderung, regelmäßig eine Runde zu drehen, ist und bleibt die Gewohnheit und Zeit. Mit Hund ist es am einfachsten. Spielen wir „Wünsch dir was“, dann sind es bspw. Hundebesitzer wie wir, die eh regelmäßig unterwegs sind. Bei 150.000 Hunden in Berlin und 10 Mio. in Deutschland sollte das doch möglich sein. Wer nicht aktiv mitmachen kann und es trotzdem schön haben will, kann sich jederzeit bei uns durch Spenden oder einfaches Weiterverbreiten unserer Vision engagieren. Uns ist bewusst, dass wir das nicht allein schaffen können, gemeinsam wird das Unmögliche möglich. Frei nach unserer Tochter Lola: „Macht unsere Vision zu Eurer Vision.“
Merkt Ihr schon konkrete Veränderungen im Stadtbild?
JANINA: >> Das wäre in der Kürze der Zeit toll. Uns ist bewusst, um Kiezattacke zu etablieren, wird es mindestens ein bis zwei Jahre brauchen. Die schönste Veränderung in Zukunft im Stadtbild wäre, dass sich immer mehr Nachbarn sichtbar engagieren. Das wäre ein Vielfaches mehr wert, als x Müllsäcke oder y Tonnen Müll gesammelt zu haben. Was wir aber schon nach kurzer Zeit gemerkt haben, ist die Dankbarkeit unserer Nachbarn. In einem einfachen „Danke“ steckt so viel Motivation, wie wir es jedes Mal selbst an uns feststellen können. Das wünschen wir uns für jede Nachbarschaft. Das wäre die schönste Veränderung, zu der Kiezattacke beitragen kann.
Gab es auch Herausforderungen, die Ihr bewältigen musstet?
MICHAEL: >> Einfach machen. Das klingt so einfach, ist es aber nicht. Ich selbst habe zwei Wochen gebraucht mit etlichen Ausreden im Kopf, nicht allein rausgehen zu müssen. Bis meine Frau entnervt entschied, gemeinsam rauszugehen. Im Winter abends in der Dunkelheit um 21 Uhr haben wir dann unsere erste Kiezattacke-Runde mit Bailey gedreht. Danach haben wir uns von Stunde zu Stunde vorgearbeitet, bis wir gemerkt haben, dass uns viele Nachbarn sehr positiv begegnen. Diesen Sommer haben wir bspw. in Rom vor dem Kolosseum vor tausenden Touristen gesammelt. Auch hier gab es oft ein „Grazie“.
Die größte Herausforderung wird sein, Kiezattacke als gemeinnützige Organisation so aufzubauen, dass es zu einem spürbaren Mehrwert für eine Nachbarschaft wird. Dass „Schön machen – jeden Tag“ zum Alltag wird. Je mehr Menschen, Spender und Unternehmen mitmachen, desto schneller wird Kiezattacke eine sichtbare Rolle in jeder Nachbarschaft spielen.
Habt Ihr besondere Erfahrungen oder Begegnungen beim Müllsammeln gemacht?
JANINA: >> Bei jeder nachbarschaftlichen Begegnung wird eine kleine, persönliche Geschichte erzählt. Und man merkt relativ schnell: Den meisten Menschen geht es nicht nur um den herumliegenden Müll, sondern um den Wunsch nach einer guten und funktionierenden Nachbarschaft. Das war für uns in den vergangenen Monaten die wertvollste Erfahrung.
Wie läuft die Müllentsorgung bei Euren Clean Ups ab?
MICHAEL: >> Zum Müllsammeln nehmen wir immer einen 35-Liter-Müllbeutel von Pely® mit. Der wird in der Regel bei einem Gassi-Gang von 30–60 Minuten locker voll. Müll trennen wir erstmal nicht. In Berlin – und wir vermuten auch in anderen Orten – ist es nicht erlaubt, Müll einfach so auf die Straße zu stellen. Also bringen wir einen Aufkleber auf unsere Müllbeutel an mit „Mach deinen Kiez schön, mach mit auf kiezattacke.org“. Und stellen diese auf die öffentlichen Mülleimer. Diese wurden bisher von der Stadtreinigung mitgenommen.
Habt Ihr Tipps, die Ihr anderen mit auf den Weg geben wollt, die sich ebenfalls für eine saubere Umgebung einsetzen möchten?
JANINA: >> Es gibt Nachbarn, die uns deutlich sagen, dass das Müllaufsammeln nichts für sie ist. Und wir haben dafür vollstes Verständnis. Diese Nachbarn halten es trotzdem für toll, was wir mit Kiezattacke machen. Auch wenn sie selbst nicht aktiv sammeln wollen oder können, helfen sie uns mit einer Spende, einem Weitersagen oder einem Bekanntmachen gegenüber Freunden und Unternehmen.
Wählt Ihr Eure Produkte zum Entsorgen von Müll bewusst aus? Was benutzt Ihr selbst?
MICHAEL: >> Von Anfang an stand für uns Einfachheit im Vordergrund. Eine leichte und leicht zu bedienende Greifzange aus dem Baumarkt. Ansonsten haben wir handelsübliche Müllsäcke benutzt, sind jetzt aber zu Pely® gewechselt, weil uns die Müllbeutel aus 95 % recycelten Materialien überzeugt haben. Wir benutzen nur Müllbeutel mit Zugband. Auch hier ist Einfachheit gefragt: Hochziehen, zwei Knoten, fertig. Somit brauchen wir keine Handschuhe.
Aktuell ist viel in Bewegung bei Kiezattacke – welche neuen Projekte oder spannenden Entwicklungen stehen bevor?
JANINA: >> Wir finden gerade unseren eigenen Kiezattacke-Weg. Machen Fehler, lernen daraus. Das ist spannend und herausfordernd zugleich. Wir bekommen viel Feedback und auch gute Ratschläge von außen. Um dem Ganzen einen Rahmen zu geben, gründen wir mit Kiezattacke aktuell eine gemeinnützige Organisation.
MICHAEL: >> Für unsere Internetplattform kiezattacke.org suchen wir Spenden von 15.000–20.000 Euro, um diese neu zu programmieren. Ein Programmierer-Team haben wir schon. Unsere Plattform soll interaktiver und einfacher werden. Es soll Spaß machen, mitzumachen.
Zudem melden sich auch jetzt schon Unternehmen, die uns unterstützen wollen. Neben Pely® haben wir bereits die KF-Unternehmensgruppe als Unterstützer gewonnen. Die KF ist mit ihren 400 Mitarbeitern spezialisiert auf Reinigung von Luft, Boden und Wasser im industriellen Maßstab. Das passt auch thematisch.
JANINA: >> Wir freuen uns, wenn Ihr bei unseren drei aktuellen Projekten mitmachen wollt:
Tragt Euch ein für „Berlin in 1 Stunde sauber machen“,
schickt uns Eure Straßen und Orte, die sauber gemacht werden sollen, bei „Sei der/die Erste in deinem Ort“,
macht die bereits gelisteten Straßen auf kiezattacke.org unter „Ich fang dann mal an“ sauber und schickt uns ein „Erledigt“.
MICHAEL: >> Und von uns selbst ein großes „Dankeschön“ an alle Helden da draußen, die das bereits machen.
Janina und Michael, herzlichen Dank für das inspirierende Gespräch! 🤍
Vielen Dank, liebe Janina, lieber Michael, für Euren großartigen Einsatz und das inspirierende Gespräch!
Mit Kiezattacke habt Ihr gezeigt, dass nachhaltiges Handeln direkt vor der eigenen Haustür beginnt – mit Mut, Herz und Gemeinschaftssinn. Euer Engagement motiviert, selbst aktiv zu werden, und beweist, dass kleine Routinen Großes bewirken können. Wir sind gespannt, wie sich Kiezattacke weiterentwickelt, welche neuen Straßen, Städte und Unterstützer hinzukommen – und freuen uns, Euch auf diesem Weg begleiten zu dürfen.
Habt Ihr Fragen an Janina und Michael oder möchtet Ihr Eure Meinung zu diesem Interview mitteilen?
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